Was ist die Nahtlosigkeitsregelung überhaupt?
Die Nahtlosigkeitsregelung ist eine wichtige Bestimmung im Sozialgesetzbuch (SGB III), die greift, wenn ein Arbeitnehmer nach dem Ende des Krankengeldbezugs weiterhin arbeitsunfähig ist, aber noch keinen Rentenantrag gestellt hat oder dieser noch nicht beschieden wurde. Ziel ist es, zu verhindern, dass Menschen in ein finanzielles Vakuum fallen, wenn sie aufgrund von Krankheit ihren Arbeitsplatz verlieren und gleichzeitig nicht sofort Anspruch auf Rente haben.
Konkret bedeutet das, dass die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld (ALG I) zahlt, auch wenn der Betroffene weiterhin arbeitsunfähig ist. Diese Zahlung erfolgt unter der Annahme, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorübergehend ist und der Betroffene bald wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Die Agentur für Arbeit fordert den Betroffenen in der Regel auf, einen Antrag auf medizinische Rehabilitation oder Rente zu stellen, um die Erwerbsfähigkeit zu klären. Die Nahtlosigkeitsregelung dient also als eine Art Übergangsleistung.
Voraussetzungen für die Nahtlosigkeitsregelung
Um die Nahtlosigkeitsregelung in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Anspruch auf Arbeitslosengeld: Der Betroffene muss grundsätzlich einen Anspruch auf ALG I haben. Das bedeutet, er muss in den letzten 30 Monaten vor der Arbeitslosmeldung mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein.
- Arbeitsunfähigkeit: Der Betroffene muss weiterhin arbeitsunfähig sein und dies durch ein ärztliches Attest nachweisen. Die Arbeitsunfähigkeit muss in der Regel unmittelbar an den Bezug von Krankengeld anschließen.
- Kein Rentenanspruch: Es darf noch kein Rentenanspruch bestehen. Ein laufendes Rentenverfahren schließt die Nahtlosigkeitsregelung nicht automatisch aus, aber die Agentur für Arbeit kann die Zahlung verweigern, wenn sie der Meinung ist, dass ein Rentenanspruch wahrscheinlich ist.
- Verfügbarkeit: Obwohl der Betroffene arbeitsunfähig ist, muss er grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, d.h. er muss bereit und in der Lage sein, leichte Tätigkeiten auszuüben. Die Agentur für Arbeit kann den Betroffenen auffordern, sich ärztlich untersuchen zu lassen, um die Zumutbarkeit leichter Tätigkeiten zu beurteilen.
Wie lange zahlt das Arbeitsamt im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung?
Die Dauer der Zahlung von Arbeitslosengeld im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung ist grundsätzlich an die reguläre Anspruchsdauer auf ALG I gekoppelt. Diese richtet sich nach dem Alter des Betroffenen und der Dauer der vorherigen versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Die Anspruchsdauer beträgt in der Regel:
- Bis zu 12 Monate bei unter 50-Jährigen.
- Bis zu 15 Monate bei über 50-Jährigen.
- Bis zu 18 Monate bei über 55-Jährigen und längerer Beschäftigungsdauer.
Wichtig: Die Agentur für Arbeit kann die Zahlung von ALG I im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung vorzeitig beenden, wenn sie feststellt, dass der Betroffene nicht mehr arbeitsunfähig ist oder dass er nicht ausreichend an Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mitwirkt. Ebenso kann die Zahlung eingestellt werden, wenn ein Rentenanspruch festgestellt wird.
Was passiert nach Ablauf der Nahtlosigkeitsregelung?
Nach Ablauf der Anspruchsdauer auf ALG I im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung gibt es verschiedene Szenarien:
- Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit: Wenn der Betroffene wieder arbeitsfähig ist, kann er sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen und eine neue Beschäftigung aufnehmen.
- Bewilligung einer Rente: Wenn ein Rentenantrag bewilligt wird, erhält der Betroffene eine Rente wegen Erwerbsminderung.
- Weiterhin Arbeitsunfähigkeit und kein Rentenanspruch: Wenn der Betroffene weiterhin arbeitsunfähig ist und kein Rentenanspruch besteht, kann er unter Umständen Bürgergeld (ehemals Hartz IV) beantragen. In diesem Fall wird das Jobcenter prüfen, ob er dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung steht, trotz der bestehenden Arbeitsunfähigkeit.
Beispiel aus der Praxis
Frau Müller, 48 Jahre alt, verliert ihren Job aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung. Sie war 15 Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt. Nach der Kündigung erkrankt sie und bezieht Krankengeld für 78 Wochen. Nach Ablauf des Krankengeldbezugs ist sie weiterhin arbeitsunfähig, hat aber noch keinen Rentenantrag gestellt. Frau Müller meldet sich arbeitslos und beantragt ALG I im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung. Die Agentur für Arbeit zahlt ihr ALG I für 12 Monate (ihre reguläre Anspruchsdauer), während sie sich um die Klärung ihres Gesundheitszustandes und ggf. die Beantragung einer Rente kümmert. Nach 12 Monaten wird ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente bewilligt.